Auf den Spuren der Meerforelle

„Wir haben jetzt sechs Jahre mit unserer Künstlichen Intelligenz (KI) trainiert und sie hat viel gelernt“, erzählt Uwe Friedrich. „Jetzt weiß sie, was ein Fisch ist, was ein treibendes Blatt oder ein Kanufahrer.“ Die KI – sozusagen eine digitale Mitarbeiterin von Uwe Friedrich am Institut für Fisch und Umwelt (FIUM) in Rostock – hat im Trainingslager mit ihm zahllose Filme von Unterwasserkameras angesehen. Etliche Trainingsstunden hat er darauf verwendet mit der vom Fraunhofer-Institut entwickeln Software Filme auszuwerten und dabei zu benennen was vorbeischwimmt. Jetzt ist sie so weit, dass sie selbstständig sortiert, was gezählt werden muss und was unbeachtet vorbeitreiben darf. Denn zählen ist ihre Aufgabe.

Viele Spaziergänger werden sich gefragt haben, was es mit dem Metallkasten, der vor ein paar Tagen an der Treenebrücke am Pastorat angebracht worden ist, auf sich hat. „Dort ist unsere Fischzähleinrichtung untergebracht und vor der Witterung geschützt“, erklärt Uwe Friedrich, der gerade geprüft hat, ob auch alles richtig installiert ist. „Vom Büro aus kann ich draufschauen und sehen, was aktuell hier los ist.“ Verbunden mit der Überwachungstechnik sind zehn Unterwasserkameras, die nun alles aufzeichnen, was an ihnen vorbeikommt – Blätter, Stöcke, Frösche, mal einen Paddler oder einen badenden Hund. „Wir interessieren uns aber nur für die Meerforellen, die über die Treene zu ihren Laichgebieten schwimmen. Sie wollen wir zählen.“ Warum gerade die Meerforelle von besonderem Interesse ist, weiß Martin Purps vom Landesamt für Landwirtschaft und nachhaltige Landentwicklung, Abteilung Fischerei: „Wir haben die Zählung beauftragt, weil wir kontrollieren möchten, ob unsere Fischartenhilfsmaßnahmen erfolgreich sind.“ Seit 40 Jahren fließen Gelder, die aus der Fischereiabgabe finanziert werden, in die Erhaltung der Bestände. Landesweit beläuft sich diese Förderung auf rund 140.000 Euro jährlich. Dafür werden beispielsweise junge Meerforellen nachgezogen und ausgesetzt. „Die Videozählung ist ein Baustein dieser Erfolgskontrolle. Sie hilft uns, zu beurteilen, ob unsere Besatzstrategie erfolgreich ist oder ob wir etwas anpassen müssen.“ Einige ausgesetzte Fische wurden auch markiert, „das zeigt auch, wie viele Fische natürlich reproduziert und nicht besetzt wurden“, ergänzt er.

Ziel der Maßnahmen war von Anfang an, die nachhaltige Nutzung der Bestände durch Angler und Fischer sicherzustellen. Das ist nötig, weil der Lebenszyklus der Meerforellen durch die Zerstörung und Verunreinigungen der Gewässer stark beeinträchtigt ist. „Beeinträchtigt werden die Fische durch die steigenden Temperaturen. Denn eigentlich lieben sie Kälte“, erklärt Martin Purps. „Und wenn in regenarmen Perioden gleich ganze Oberläufe trockenfallen, können sie ihre Laichgebiete gar nicht erst erreichen.“ Hinzu kommen noch Fressfeinde, wie Kormorane und Otter, die die Bestände der Meerforelle dezimieren. „Unsere Maßnahmen arbeiten dagegen. Und mit der Fischzählung können wir besser verifizieren, ob sie auch greifen.“

Die Hauptaufstiegszeit der Meerforelle liegt zwischen Oktober und Dezember. So lange werden die Kameras alles aufzeichnen, was die Treenebrücke passiert. Ende Januar weiß Uwe Friedrich, an welchem Tag es wie viele Fische gewesen sind. „Um das Filmmaterial einer Saison auszuwerten, würde eine Person bei einer täglichen Arbeitszeit von acht Stunden 2,5 Jahre benötigen“, erklärt er. „Unsere KI schaff das in 44 Stunden.“ Ganz nebenbei, sozusagen als Nebenfang, liefert die Auswertung ein komplettes Bild auf das örtliche Artenspektrum – die KI hat im Trainingslager und nach 5,5 Millionen gesichteter Filmen nämlich auch andere Arten kennengelernt.

Bisher basierten Fischzählungen auf stichprobenartigen Hochrechnungen. „Heute können wir mit Unterstützung der KI deutlich präzisere Angaben machen“, sagt Uwe Friedrich. Das Projekt ist auf drei Jahre angelegt. Im ersten Jahr wird der Status quo ermitteln. In den Folgejahren lassen sich dann Tendenzen ableiten. „Dann haben wir einen guten Überblick über den Bestand“, betont Martin Purps. „Die Meerforelle ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung und eine Leitart unserer heimischen Fließgewässer. Ich hoffe, dass wir abschließend ein positives Ergebnis vermelden können oder zumindest unser Management optimieren können.“

Beitrag veröffentlicht von:
Claudia Kleimann-Balke
Uwe Friedrich überwacht die KI-unterstützte Fischzählung an der Treenebrücke und ist gespannt auf die Ergebnisse.